Die Erfindung des „Bes“ – oder warum ich dem H treu bleibe

 

Sowohl unter Fachleuten wie unter fortgeschrittenen Laien wurde schon viel gestritten, ob der Ton nun H oder B genannt werden solle. Heute wird darüber vielleicht sogar mehr diskutiert, als noch vor 10 Jahren. Beide Läger haben ihren Standpunkt und auf beiden Seiten gibt es sinnvolle wie unsinnige Argumente. 

 

Aber hier erst einmal ein kleiner Exkurs zum Verständnis:

 

Historisch bezeichnete man unsere heutige Grundtonart C-Dur bzw. Am einfach durch die ersten sieben Buchstaben des Alphabets. Ursprünglich ging man also von einem b, statt von einem h aus. Mit der Erkenntnis, dass sich die sieben Töne einer Tonart erhöhen und vermindern lassen, brauchte man weitere Zeichen und so nahm man ein Zeichen zur Erhöhung des Tons #, ein Auflösungszeichen und zur Verminderung des Tons ein . Erst im 16. Jahrhundert entschied man sich in Deutschland und in weiteren Ländern, dass h zu verwenden um die Verwechslung zwischen dem b und dem auszuschließen. Im englischen Sprachraum ist man hingegen bei der Verwendung des Tons b geblieben. Bei der Verminderung spricht man hier von einem „B flat“ (b). Zum besseren Verständnis:

  

Deutsche Schreibweise

Englische Schreibweise

H

B

B

B

H

B

 

  

Zudem gibt es Geschichten von einem Mönch, der beim Abschreiben von Liedern vergessen hat den Bogen beim kleinen b zu schließen und es so zu einem h gekommen war. Unwahrscheinlich mag das zwar nicht sein, aber ich zweifle an der daraus resultierenden Dummheit, dass es hunderte Jahre niemandem aufgefallen sein soll.

 

Entgegengesetzt der weit verbreiteten Ansicht der Vertreter des B-Lagers, wird nicht nur in Deutschland ein H für diesen Ton verwendet, sondern auch skandinavische und westslawische Länder machen davon Gebrauch. Ein weiteres Argument ist, dass doch die Verwendung des H’s nur Verwirrung stifte und alles verkompliziere. Die Bezeichnung des Tons B würde für unseren Raum allerdings zu einer Umbenennung des Tons B in Bes führen, was zumindest zeitweise für Verwirrung sorgen würde.

  

Auf der anderen Seite spricht das H-Lager von besserer Lesbarkeit und Musikverständnis sowie Tradition. Dem stimme ich zwar gänzlich zu, jedoch muss man sich auch fragen, ob man davon nicht zumindest ein Stück weit abweicht. In unserer heutigen globalen Welt in der wir alle über so kurze Distanz vernetzt sind und wir Produkte aus anderen Ländern erwerben die alle den Ton B verwenden, macht es sicherlich Sinn unseren Standpunkt etwas aufzuweichen.

 

Natürlich kann man argumentieren, dass es logischer sei von A B C D E F G zu sprechen statt A H C D E F G. Aber kann man keinen Unterschied zwischen dem Alphabet und einer Tonleiter machen, nur weil man wahrscheinlich irgendwann mal die Töne alphabetisch benannt hat? In unserer Gesellschaft hat es sich wie viele andere Dinge eingebürgert von einem Schraubenzieher zu sprechen, obwohl das fachlich gesehen totaler Unsinn ist. Dennoch weiß jeder was gemeint ist. Genauso bin ich der Ansicht, dass das H seine Daseinsberechtigung hat. Es mag aus einem Fehler - wie auch immer - entstanden sein, aber es ist doch nichts anderes als ein Platzhalter welcher sich durch den Namen allein nicht verändert. Man könnte den Ton auch X nennen.

  

Fachlich wird bei der Erhöhung des Tons ein „is“ angehangen und (zumeist) bei der Verminderung ein „es“. Bei den meisten Tönen ist das auch der Fall. Beispiel: Aus D wird Dis (übermäßig) und aus D wird Des (vermindert). Bei dem H handelt es sich allerdings um eine Besonderheit. Es entsteht kein Hes sondern ein B. Meiner Meinung nach handelt es sich bei dem Ton H um eine Besonderheit. Alle Schüler die ich je unterrichtet habe, spielten lange ausschließlich in der Tonart C-Dur bzw. Am. In dieser Tonart steht das H auf der siebten Akkordstufe, welchen man pädagogisch aus gutem Grund erst mal meidet, denn er ist der einzige Akkord mit verminderter Quinte. Es entsteht ein Hm7b5 den viele gut ausgebildete Gitarristen nicht einzusetzen wissen, obwohl es als sog. Ersatzdominante gar nicht so schwer sein sollte. Laufen wir nun den Quintenzirkel zurück zur Stammtonart F-Dur, welche fast identisch mit C-Dur ist, verschiebt sich das H zum B. Bezeichne man an dieser Stelle das H als B und vermindert den Ton B entstünde ein Bes, was es einfach nicht gibt. Es sei denn wir fangen nun an jahrhundertelang verwendete Bezeichnungen abzuändern, weil es uns einfach unlogisch erscheint oder meint es würde etwas verkomplizieren.

 

Als Musik komplexer wurde und man nicht mehr mit sieben Buchstaben des Alphabets auskam, entstand ein Ton h. Alle nach 1600 lebenden großen Komponisten – ob Bach, Beethoven, Mozart oder Chopin – verwendeten einen Ton H. Seit einiger Zeit heißt es nun, es sei unlogisch und verkompliziert einfache Zusammenhänge. Da frage ich mich, wenn es für jemanden verkompliziert bei der Verminderung von sechs Tönen ein „(e)s“ anzuhängen und den siebten Ton beim vermindern eine neue Bezeichnung zu geben, wie es um unsere Gesellschaft steht. Auch betrachte ich die C-Dur-Tonleiter vielmehr als Axiom, welches nicht weiter begründet werden muss. Ich frage mich auch nicht warum die Angelsachsen kein metrisches System verwenden, wo es doch vielmehr Sinn macht.

  

Mein Fazit: Alles in Allem ist es doch nur eine Frage der Terminologie. Ob ich einen Schraubendreher nun Schraubenzieher nenne oder nicht. Es bleibt derselbe Gegenstand! Leute verwendet was ihr wollt und akzeptiert die Meinung anderer! Auch wenn die meisten Menschen auf Erden braune Augen haben, muss ich mir keine braunen Kontaktlinsen kaufen. Ich habe den Ton H schon in der Schule gelernt und ich werde aus Prinzip dabei bleiben ihn zu verwenden.

 

Macht was ihr wollt aber stay tuned \m/